Im vorherigen Blogpost habe ich euch die Power Apps Map (PAM) vorgestellt – ein Framework zur strukturierten Anforderungsaufnahme und Konzeption von Low-Code-Lösungen. Falls du sie noch nicht kennst: Hier kannst du die PAM als Miro-Vorlage direkt nutzen:
Nun geht es um den ersten wichtigen Schritt: Das Erstgespräch.
Warum das Erstgespräch so wichtig ist
Bevor du mit der Entwicklung einer Power App oder eines Power Automate Flows startest, solltest du ein strukturiertes Erstgespräch führen. Egal, ob die Anfrage über Teams, E-Mail oder den Flurfunk kommt – dieses Gespräch hilft dir, das Problem wirklich zu verstehen und unnötige Iterationen zu vermeiden.
1️⃣ Erstgespräch richtig vorbereiten
📅 Termin festlegen: Plane je nach Komplexität 1-2 Stunden mit dem Anforderer und einem späteren Nutzer der Lösung ein.
📑 Unterlagen checken: Lass dir vorab bestehende Prozesse, Mockups oder Dokumentationen geben, um gezielt nachfragen zu können.
❓ Fragen vorbereiten: Nutze die Standardfragen aus der Power Apps Map und ergänze sie für den spezifischen Use Case.
Hier eine Auswahl von Fragen, die dir helfen, den Kern des Problems zu verstehen:
Welchen Use Case plant Ihr mit der Power Platform umzusetzen? Wo liegt aktuell der Schmerz und welchen Mehrwert erreichen wir mit der Lösung?
Wie wird der mit der Power App geplante Prozess aktuell durchgeführt? Könnt Ihr mich durch den Prozess führen?
Gibt es bereits Dokumente zu der angedachten Lösung? Prozesse, Mockups, Wireframes, schriftliche Anforderungen?
Lässt sich eine Einsparung prognostizieren? Wenn ja, wie hoch schätzt Ihr die Einsparung (im Vergleich zur aktuellen Lösung) ein?
Soll die Lösung langfristig weiterentwickelt werden oder bleiben die Anforderungen größtenteils bestehen?
Welche besonderen Anforderungen stellt Ihr an die Anwendung? Verarbeitung von Fotos, Videos, Dokumenten? Responsive Design? Import von Altdaten? KI-Funktionen? Schnittstellen zu anderen Systemen? Offlinefunktionalität? Exportfunkion in Excel, CSV etc.?
Haben andere Fachbereiche dasselbe Problem? Habt Ihr bereits am Markt nach Lösungen geschaut, die ein ähnliches Problem lösen?
Wie soll die Lösung heißen? Gibt es bereits Namensideen?
Wer stellt die Anforderungen an uns? Wer ist unser Anforderer / Product Owner? Wen kontaktiere ich, wenn ich Feedback zu einem Feature benötige?
Wer betreut das Projekt von technischer Seite aus? Zum Beispiel: wen kontaktiere ich für Fragen zur Datenbank?
Welches Interesse an einem Citizen Development / Fachbereichsentwicklung? Gibt es Mitarbeiter*innen, die Interesse an der Power Platform und einer gemeinsamen Lösungsentwicklung haben?
Wie viele User wird die Lösung haben und wie lässt sich unser User grob definieren? Was sind seine Bedürfnisse & Skills?
Welche Nutzer plant Ihr für die Entwicklung einzubeziehen und wie sieht deren wöchentliche Verfügbarkeit für die gemeinsame Entwicklung der Anwendung aus?
Wie viele Datensätze werden pro Tag/Monat/Jahr erstellt? Wie prognostiziert Ihr das Wachstum?
Wann soll das Projekt fertiggestellt werden?
Wann soll mit dem Projekt begonnen werden?
Werden zusätzliche Lizenzen benötigt?
💡 Tipp: Halte das Wichtigste in der Power Apps Map fest – damit bleibt alles strukturiert und nachvollziehbar.
2️⃣Das aktuelle System verstehen – Process Walkthrough
Sofern es sich nicht um eine völlig neue Idee handelt, wird es schon heute ein "System" geben welches zur Durchführung des Prozesses eingesetzt wird. Das kann eine Excel Tabelle sein, eine bestehende Software, die abgelöst werden soll oder ein "Papierprozess". Nimm' Dir die Zeit mit Anforderer und User, um Schritt-für-Schritt durch das aktuelle System zu gehen. Blickt dabei auch auf die vor- und nachgelagerten Schritte im Prozess, um das große Ganze zu verstehen.
👀 Gehe mit dem Anforderer Schritt für Schritt durch den aktuellen Prozess.
📸 Mache Screenshots oder zeichne den Ablauf auf – oft springen Nutzer zwischen Systemen hin und her.
📝 Dokumentiere wichtige Erkenntnisse in der Power Apps Map.
Beispiel:
Bei einer Werkzeugverwaltung stellte sich heraus, dass der aktuelle Prozess aus einer Software, NFC-Chips, QR-Code-Aufklebern und einem PDF-Formular bestand. Erst durch den Walkthrough wurden die tatsächlichen Herausforderungen klar!

3️⃣ Problem Statement definieren
Formuliere mit dem Anforderer kurz und prägnant das Kernproblem. Das muss kein langer Text sein – ein paar Sticky Notes auf der Power Apps Map reichen völlig aus.
🎯 Beispiel:

4️⃣ Lösung formulieren – Aber nicht im Detail!
Nachdem wir den Kern des Problems erfasst haben, wollen wir uns in den Lösungsraum begeben. An dieser Stelle ist nicht das Ziel genau zu definieren, welche App und welcher Flow was genau tut. Es geht viel mehr darum eine Art "Vision" zu formulieren. Was sind wichtige Grundpfeiler, die in der künftigen Lösung nicht fehlen dürfen?
Beispiel für die Werkzeugverwaltung:
✅ Werkzeuge müssen mit 3 Klicks per QR-Code ausgeliehen werden.
✅ Jede Ausleihe soll eine Historie haben.
✅ Nutzer sollen jederzeit sehen, welche Werkzeuge sie ausgeliehen haben.
✅ Wartungsintervalle müssen einfacher einsehbar sein.

5️⃣ Inspirationen sammeln – "Steal with Pride"
Gute UX gibt es schon – also nutzt sie! Oft ist es hilfreich und sinnvoll das Rad nicht von Grund auf neu zu erfinden, wenn es um die Nutzerführung und -oberfläche geht.
Folgende Fragen können dabei helfen:
Was gefällt uns am aktuellen System besonders gut und wollen wir übernehmen?
Welche Apps (z.B. aus dem Apple oder Android App Store) tun etwas ähnliches und wie können wir uns hiervon inspirieren lassen?
Welche Applikationen nutzt mein Nutzer sonst und kann ich mich dort an der Benutzeroberfläche inspiriueren lassen und somit die Oberfläche noch freundlicher machen für meinen Nutzer?
Der positive Nebeneffekt zu der Zeitersparnis und höherer Nutzerzentrierung ist meiner Ansicht nach, dass wir "out-of-the-box" von dem denken, was Power Apps uns an fertigen Steuerelementen anbietet. So können wir auch als Entwickler später etwas dazulernen und nutzerfreundlichere Lösungen schaffen.
💬 Mein Tipp: Es gibt keinen Grund, jedes Design neu zu erfinden. Nutze etablierte Muster – das spart Zeit und verbessert die UX!
6️⃣ Nachbereitung des Erstgesprächs
Nachdem du das Erstgespräch geführt hast, empfiehlt es sich auf folgende Dinge zu achten, um eine gute Nachbereitung sicherzustellen
✅ Dokumente zentral ablegen – kein E-Mail-Chaos! Nutzt ein Teams-Ordner oder OneDrive.
✅ Power Apps Map teilen – so bleiben alle Stakeholder auf dem gleichen Stand.
✅ Nutzer frühzeitig einbinden – das erhöht Akzeptanz und Qualität.
✅ Ergebnisse kurz zusammenfassen – ein präzises Follow-up sorgt für Klarheit.
Fazit
Ein gutes Erstgespräch spart dir spätere Iterationen, unnötige Features und technische Sackgassen.
Mit der Power Apps Map hast du ein Tool, das dir hilft, alle Erkenntnisse auf einer einzigen Karte zu bündeln.
🚀 Im nächsten Blog geht es um den nächsten Schritt: "Projektteam – Wer macht was?"
📢 Hast du eine andere Herangehensweise? Teile deine Erfahrungen in den Kommentaren!
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